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Windrad beim Soolhof in Langenbruch

Morgendämmerung der Windkraft

03. Dezember 2021
Erneuerbare Energie
Technologie & Anlagen
Die Schweiz und ihre Windräder – das ist eine komplizierte Geschichte. Während in unseren Nachbarländern bereits unzählige Windkraftanlagen in Betrieb sind, sorgen sie hierzulande vor allem für Betrieb an den Gerichten. Ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren soll nun dafür sorgen, dass Projekte schneller umgesetzt werden können. Die Zeit drängt, denn bis 2050 soll die Windkraft vor allem im Winter eine wichtige Rolle in der hiesigen Energieversorgung übernehmen.

Wer in der Schweiz ein Windenergieprojekt in Angriff nimmt, braucht einen langen Atem: 20 Jahre kann es dauern, bis das Bewilligungsverfahren abgeschlossen ist. Hauptgrund dafür sind die Einsprachen, die bei jedem Prozessschritt erhoben werden können. Eine Einzelperson vermag so ein Projekt, das von einer Mehrheit befürwortet wird, drastisch zu verzögern. Das kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern hat auch dazu geführt, dass die Schweiz punkto Windkraft ein Entwicklungsland geblieben ist.

Windrad beim Soolhof in Langenbruch
Dieses Windrad beim Soolhof in Langenbruch (BL) mit einer Leistung von 28 kW war 1986 die erste Windenergieanlage, die in der Schweiz in Betrieb genommen wurde.

Schlusslicht in Europa

Gerade einmal 0,2 Prozent des Stroms, der in der Schweiz verbraucht wird, stammt aus der Windkraft. Damit belegen wir im europäischen Vergleich zusammen mit der Slowakei und Slowenien die hintersten Plätze (siehe Grafik). Unser Nachbarland Österreich – etwa gleich viele Einwohner, doppelt so grosse Fläche – deckt hingegen rund 13 Prozent seines Strombedarfs mit Energie aus Windkraftanlagen, 2030 sollen es schon 25 Prozent sein. Während ennet der Grenze mehr als 1300 Anlagen Windenergie gewinnen, sind es in der Schweiz gerade einmal 41.

Vergleich Windenergie in Europa
Beim europäischen Vergleich des Anteils der Windenergie am Stromverbrauch ist die Schweiz für einmal ganz weit hinten anzutreffen. Quelle: suisse-éole

Wertvoller Winterstrom

Aber braucht die Schweiz die Windkraft überhaupt? Ja, sagt Anita Niederhäusern, Mediensprecherin des Branchenverbands Suisse Éole. Windenergie sei ein wichtiger Bestandteil unserer künftigen Energieversorgung. «Während Solar- und Wasserkraft im Sommer am meisten Strom produzieren, fallen rund zwei Drittel des Windstroms in den Wintermonaten an, wenn der Bedarf am höchsten ist.» Damit habe Windenergie das Potenzial, einen wesentlichen Beitrag zur Deckung der drohenden Winterstromlücke zu leisten.

Diesem Potenzial trägt auch die nationale Politik Rechnung. Die Energiestrategie 2050 sieht bereits für 2035 eine jährliche Produktion von 1200 GWh Windstrom vor. Zum Vergleich: Heute liegt sie bei etwas mehr als 140 GWh. Innerhalb der nächsten 14 Jahre muss die Windstromproduktion also etwa um Faktor 9 zunehmen, um das Zwischenziel zu erreichen. Das sei durchaus machbar, meint Niederhäusern: «Wenn es gelingt, die Projekte in den Verfahren und diejenigen in Planung zu realisieren, können wir das Zwischenziel 2035 sogar deutlich übertreffen.» Derzeit warten acht Windparkprojekte auf einen Entscheid des Bundesgerichts, viele weitere sind in Planung.

Schnellere Verfahren nötig

Um den Bewilligungsprozess von Windkraftprojekten zu beschleunigen, will Bundesrätin Sommaruga das Verfahren vereinfachen. Die Vorsteherin des UVEK möchte die Abläufe so bündeln, dass bei Projekten von nationalem Interesse – gemäss Energiegesetz sind dies Projekte mit einer geplanten Produktion von mehr als 20 GWh pro Jahr – nur noch ein einziges Verfahren nötig ist. Das würde bedeuten, dass nur noch eine Einsprachemöglichkeit besteht und sich der Prozess beschleunigt, denn damit hätten Gegner nur einmal die Möglichkeit, das Projekt im Kanton und allenfalls vor Bundesgericht anzufechten. Allerdings ist politisch noch nicht entschieden, ob die Pläne wirklich so umgesetzt werden.

Grundlage für die Überlegungen von Sommaruga ist ein Gutachten von Alt-Bundesrichter Heinz Aemisegger (Bericht dazu in der NZZ). Der Verwaltungsrechtsexperte hat im Auftrag des Bundes die Bewilligungsverfahren analysiert und klaren Handlungsbedarf festgestellt. Aemisegger beschreibt die heutigen Prozesse als «zu kompliziert, zu schwerfällig und zu wenig effizient». Dies führe zu häufigen Verfahrensfehlern, was wiederum lange und teure Verzögerungen verursache. Das Fazit des ehemaligen Bundesrichters: Es braucht eine Verbesserung beim Verfahrensrecht, um die Energiewende und die Sicherheit der künftigen Stromversorgung nicht zu gefährden.

Tiefe Gestehungskosten

Angenommen, dass es klappt mit der Beschleunigung der Bewilligungen – ist es aus wirtschaftlicher Sicht überhaupt attraktiv, hierzulande in die Windkraft zu investieren? «Generell kann ab einer Windstärke von 4,5 bis 5 Metern pro Sekunde zu ähnlichen Kosten Strom produziert werden wie bei anderen erneuerbaren Energien», erklärt Anita Niederhäusern. Ganz sicher seien die Stromgestehungskosten bei diesen Bedingungen tiefer als bei Strom aus neuen AKW, deren Bau derzeit wieder vermehrt diskutiert wird.

Anzahl Windkraftanlagen in angrenzenden Regionen Schweizer Nachbarländer
In den angrenzenden Regionen unserer Nachbarländer produzieren mehr als 7000 Windkraftanlagen Strom. Hierzulande sind es lediglich 41 Anlagen. Quelle: suisse-éole

Die Gestehungskosten für Windstrom liegen heute gemäss Niederhäusern bei 13 bis 20 Rappen pro Kilowattstunde und damit deutlich unter den aktuell hohen Preisen an der Strombörse. Windstrom lässt sich also durchaus zu wirtschaftlich attraktiven Konditionen produzieren und verkaufen. «Damit mehr investiert wird, müssen die Preise jedoch über einen längeren Zeitraum so hoch liegen wie heute», sagt Niederhäusern. Eine Alternative sei ein verlässliches Fördersystem, denn zum Abwarten bleibe keine Zeit – weder aus Sicht des Klimas noch aus Sicht der Versorgungssicherheit.

Kleine Anlagen als Alternative?

Die Zeit drängt also. Da stellt sich die Frage, ob man statt auf wenige grosse Anlagen nicht auf viele kleinere, dezentrale Anlagen setzen sollte. Wenn wir die Hausdächer schon mit Photovoltaik bedecken, könnte man vielleicht auch einige Mini-Windräder installieren? So sympathisch die Idee auch sein mag – sie funktioniert nicht. Das liegt daran, dass kleine Anlagen heute technisch noch nicht ausgereift sind. Vor allem aber können grosse Anlagen in grösserer Höhe und mit grösseren Rotorblättern deutlich mehr Wind ernten. Die Gestehungskosten sinken mit der Grösse der Anlage exponentiell. Eine moderne grosse Windkraftanlage produziert Strom für ein Dorf mit 5000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Es bräuchte rund 2000 Kleinwindanlagen, um eine solche Anlage zu ersetzen. Zu bedenken ist auch, dass der Ertrag von kleineren respektive weniger hohen Anlagen durch umliegende Gebäude, Hügel oder Wälder beeinträchtigt werden kann. Aus diesen Gründen haben sich bei der Windkraft auch international die grossen Anlagen durchgesetzt.

Vielversprechende Projekte

Einige neue grosse Anlagen sollten bald auch in der Schweiz für mehr Windstrom sorgen. In Sainte-Croix im Waadtländer Jura hat 2021 nach einem positiven Entscheid des Bundesgerichts der Bau eines Windparks begonnen – 23 Jahre nach Planungsbeginn. Sechs Anlagen sollen jährlich rund 22 GWh Strom produzieren. Noch mehr Energie (jährlich 32 GWh) hätten sechs geplante Anlagen auf dem Grenchenberg im Kanton Solothurn generieren können. Allerdings entschied Ende November 2021 das Bundesgericht, das sich wegen eines Rekurses damit beschäftigen musste, dass nur vier der sechs geplanten Anlagen realisiert werden dürfen. Begründung dafür ist der Vogelschutz, den das Gericht höher gewichtete als den Zubau an erneuerbarer Energie. Das Projekt zeigt, dass die Windkraft in der Schweiz zwar vorankommt – aber nur in kleinen Schritten. Bleibt zu hoffen, dass möglichst bald auch grössere möglich sind.

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